Deo ohne Aluminium = gut?

@ Eli DeFaria/Unsplash
@ Eli DeFaria/Unsplash

Mein Deo riecht gut. Nach Herzenswärme. So steht es zumindest auf der Sprühdose. Woraus die Herzenswärme besteht, weiß ich allerdings nicht. Immerhin denke ich mir schon, es ist dann doch mehr als Luft und Liebe.

 

Auf der Dose sind ein Kaminfeuer sowie ein Herz aus Strick abgebildet. Eine Sichtung des tatsächlichen Inhalts bleibt mir bis zum ersten, nebeligen Sprühstoß verwehrt. Da ich mir als Laie relativ wenig unter dem teilweise unaussprechlichen „Ingredients“-Fachchinesisch vorstellen kann, kommt mir die seit einiger Zeit unübersehbare Aufschrift „OHNE Aluminium“ zunächst vor, wie der ehrliche Retter in der Not.

 

Ein paar Sprühtests in der Drogerie und ein Blick für diesen Retter in der Not verleihen mir das Gefühl, eine halbwegs gewissenhafte Auswahl getroffen zu haben.

Ein Gespräch mit "Hello Simple" aus Berlin bringt Klarheit

Weder überraschend, noch selten sei dieses Verhalten, sagt Jacqueline von hello simple zu meiner Beichte. Gut sei es aber natürlich trotzdem nicht, denn immerhin stellt die Haut das größte Organ unseres Körpers dar, der nicht nur nach Herzenswärme und Meeresbrise duften, sondern vor allem gesund bleiben möchte.

 

Aluminium und seine potenziellen Gesundheitsrisiken traten durch diverse Studien der vergangenen Jahre in unser Bewusstsein, worauf die Hersteller konventioneller Deodorants reagierten.

„Das ist erstmal erfreulich und ein Schritt in die korrekte Richtung. Allerdings sollte man beachten, dass auch aluminiumfreie Produkten viele weitere bedenkliche Substanzen enthalten können, für welche unser Bewusstsein noch nicht geschult ist.“, sagt Jacqueline.

 

Ich überreiche ihr mein Deo und bin ganz Ohr auf die Worte der Richterin. Das Urteil fällt ohne Bewährung aus, denn die ersten sechs Inhaltsstoffe sind auch laut der App „Codecheck“ mindestens bedenklich und dienen außerdem gar nicht dem Zweck, mich gut riechen zu lassen. Isobutane, Butane sowie Propane sind auf der Basis von Erdgas oder Erdöl hergestellte Treibmittel und lediglich für die Druckerzeugung im Behälter zuständig. Zwar sind die zu den Alkanen zählenden Gase bedeutend weniger klimaschädigend als ihre Vorgänger, die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoff -Gase, doch auch hier sind toxische und gesundheitsschädigende Auswirkungen zu erwarten. Langfristige Studien stehen noch aus. Die folgenden Inhaltsstoffe sind diverse Alkohol und Duftstoffe.

 

Grundsätzlich stellen diese keine gesundheitlichen Risiken dar, allerdings raten Experten davon ab, alkoholhaltige Deodorants auf sensibler oder frisch rasierter Haut anzuwenden, da sie die Haut stark austrocknen und reizen können. Die oftmals synthetisch produzierten Duftstoffe führen in Einzelfällen zu allergischen Hautreaktionen. Abgerundet wird das Werk mit etwas „Aqua“, dem wohl einzigen natürlichen Inhaltsstoff, der in der letzten Reihe der Liste zu finden ist.

 

Nüchtern zusammengefasst: Die Herzenswärme besteht aus Alkohol. Halleluja, da ermuntern mich weder die Treibgase und Duftstoffe, noch der Tropfen Wasser.

„Hinzu kommt natürlich die Verpackung des verhältnismäßig schnell aufgebrauchten Deos“, erklärt Jacqueline. „Die Sprühdosen bestehen aus Aluminium oder Weißblech. Aufgrund der extrem entzündbaren Treibgase sind diese zusätzlich mit einem entsprechenden Gefahrensymbol versehen, somit gehören sie zu den Sonderabfällen.“

 

Auch wenn die Deodorantdosen leer zu sein scheint, können enthaltene Reste durch Druckeinwirkung oder durch Wärmekontakt eine Explosion verursachen.

Was nun?

„Selber machen!“, lautet die Antwort, denn unter diesen Aspekten wurde das Berliner Start Up – Unternehmen hello simple im Dezember 2016 gegründet.

 

Zusammen mit Kollegin und Freundin Lisa entwickelte Jacqueline Körperpflege-Rezepturen, die ausschließlich mit natürlichen Inhaltsstoffen auskommen und wichtig für den jeweiligen Zweck des Produktes sind. Kein Schnickschnack, keine Bedenken und kein Rätsel um die Zutatenliste.

 

So enthält die Deocreme Sheabutter, Kokosöl, Natron und Pfeilwurzelmehl.

 

Der Clou: Jacqueline und Lisa stellen die Zutaten plastikfrei verpackt bereit und die Kunden fertigen sich daraus nach Anleitung ihre Kosmetik selbst an. So sollen – ähnlich wie beim frisch Kochen - das Bewusstsein und der Bezug zum Produkt geschärft werden. Wer nun mit dem Einwand kommt, plastikfreie und wirklich natürliche Produkte seien wesentlich kostspieliger, der irrt: Zwar sind die hochwertigen Produkte auf den ersten Blick nicht günstig, doch im Vergleich mit der konventionellen Konkurrenz langlebiger, sodass eine 150ml-Dose Deocreme bei richtiger Dosierung und täglicher Benutzung ungefähr ein halbes Jahr ausreichen sollte.

 

Die Recherche hat mich aufgewühlt.

Wo ich in der Küche bewusst auf die Zutatenliste schaue und bemüht darum bin, unnötige Verpackungen zu vermeiden, sammle ich leidenschaftlich in meinem Chemielabor „Badezimmer“ Plastik wie Briefmarken. Das Problem: Meine Sammlung möchte niemand sehen und ich erst recht nicht mehr.

 

Ich verspüre keine Lust mehr auf meine alkoholische Herzenswärme und auch mit meinem Duschgel mit natürlichem Karamell und unnatürlichem Krebserreger mache ich endgültig Schluss. Unüberbrückbare Differenzen.

 

Zum Abschied gibt Jacqueline mir ein Döschen der hello simple-Deocreme mit. Der Gedanke, meine Achseln einzucremen, erscheint mir noch ein wenig seltsam, aber nach der Herzenswärme im Alkoholpelz hat mein Körper diese Fürsorge wohl mehr als verdient.

 

Autorin: Marie-Lena Nelle

 

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